Telefon oder Radio sind im Industriezeitalter häufig als Metapher für den Mechanismus der dichterischen Inspiration aufgetreten, sie trugen in sich das heuristisch-metaphorische Potential, weil sie für die meisten Anwender immer noch ein Novum waren. Aus dem gleichen Grund war es erforderlich, diese mit Vorsicht zu verwenden, präzise den Gebrauchsanweisungen folgen, die mit diesen Geräten mitgeliefert wurden. Das dichterische Werk wurde ähnlich gedacht: Es war kein Ort für die Launen der Phantasie; es gab eine bestimmte existentielle Disziplin und einen Algorithmus in der Handhabung der Quelle dichterischer Inspiration, sodass bei einer Abweichung von diesem Algorithmus, Pfusch und Graphomanie zu werden droht. Die Spontaneität und Improvisation der Nutzer wurde durch den Industriegeist noch nicht so sehr geschätzt wie diese im postindustriellen Kapitalismus lobgepreist wird. In der Ära der immateriellen Arbeit gewinnen diese menschlichen Fähigkeiten nicht nur an Wert, sondern sie werden zudem defizitär und drohen in zu hohem Maße ausgeschöpft zu werden. Aber auch für künstlerische Technologien kommen harte Zeiten: Wenn Alles erlaubt ist, alle Medien möglich sind, dann kann es keine echte Revolte, keine Transmission aus sakraler Quelle mehr geben. Deshalb sieht das Büro für kulturelle Übersetzungen in einer Zeit des verdächtigen Kultes von Spontaneität und deren Aneignung durch das Kapital der Technologien des kreativen Durcheinanders, die Notwendigkeit, sich mit der Archäologie der verlorenen Media-Disziplin, die sowohl die technische als auch die künstlerische Rationalität umfasst, zu beschäftigen.
- Büro für kulturelle Übersetzungen, Leipzig (2015)